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77 Jahre nach der Flucht: Fritz Stern besuchte seine ehemalige Bigger Heimat

Dies und Das

77 Jahre nach der Flucht: Fritz Stern besuchte seine ehemalige Bigger Heimat

Ein besonderes Ereignis in der Bigger Geschichte gab es am Mittwoch, 24. Juni 2015: Fred Stern, am 14. Juli 1928 als Fritz Stern in Bigge geboren, besuchte seinen Heimatort. Im […]

Auch das WDR Fernsehen war vor Ort, als Fred Stern sich in das Goldene Buch der Stadt eintrug und die Ausstellung über das jüdische Leben im Amt Bigge besichtigte. Foto: bigge-onlineEin besonderes Ereignis in der Bigger Geschichte gab es am Mittwoch, 24. Juni 2015: Fred Stern, am 14. Juli 1928 als Fritz Stern in Bigge geboren, besuchte seinen Heimatort. Im ersten Moment möchte man sagen, dass ein Besuch in der Heimat doch ganz normal ist. Wenn man allerdings bedenkt, dass die Familie Stern in der Zeit des Nationalsozialismus zur jüdischen Synagogengemeinde Bigge gehörte, bekommt der Besuch einen ganz besonderen Stellenwert. Geschichte wird immer dann begreifbar, wenn sie ein „Gesicht“ bekommt, einen Namen, wenn Menschen hinter ihr stehen. Die Lebensgeschichte des 87-jährigen Fred Stern hinterließ jetzt tiefe Eindrücke bei denjenigen, die zur Eröffnung der Ausstellung „Jüdisches Leben im früheren Amt Bigge“ ins Olsberger Rathaus gekommen waren. Denn das, was den meisten Menschen heute höchstens aus Geschichtsbüchern bekannt ist, hat Fred Stern selbst erlebt.

Fred Sterns Vater Albert betrieb damals mit seinem Bruder Julius die heutige Metzgerei Funke-Schnorbus in der Bigger Mittelstraße. Gemeinsam mit seiner Familie und seinen Freunden verlebte er als Junge einen Teil seiner Kindheit in Bigge – bis er 1938 gemeinsam mit seiner Familie in die USA nach Philadelphia auswanderte:

Für Deutsche jüdischen Glaubens war kein sicherer Platz mehr im nationalsozialistisch gleichgeschalteten Deutschland. Die Familie Stern überlebte – mehr als sechs Millionen Juden verloren jedoch als Folge des NS-Regimes ihr Leben.

Eine der Gedenktafeln auf dem Bigger Friedhof. Die weiteren Tafeln tragen die Namen der Gemeindemitglieder. Foto: bigge-onlineImmer wieder nehmen auch die Menschen in Bigge und Olsberg die Geschichte ihrer früheren jüdischen Mitbürger in den Blick. Bereits 1995 wurde in der Bruchstraße an der Stelle, an der sich früher die jüdische Schule und Synagoge befanden, eine Gedenkstätte errichtet, um den 38 Mitgliedern der ehemaligen Synagogengemeinde Bigge ein bleibendes Gedenken zu wahren. Auch auf dem Bigger Friedhof wird ihrer Gedacht. Im Jahr 2013 hat der Stadtrat dann beschlossen, das Projekt „Stolpersteine – Erinnerung an die NS-Opfer“ umzusetzen – unter Federführung des Heimatbundes Olsberg. Verlegt werden sollen die symbolischen Stolpersteine im August.
Die Gedenkstelle in der Bigger Bruchstraße. Foto: bigge-online
Schon jetzt wurde – im Rahmen des Besuches von Fred Stern – die Ausstellung „Jüdisches Leben im früheren Amt Bigge“ eröffnet. Erarbeitet wurde sie gemeinsam vom Heimatbund, dem Arbeitskreis „Stolpersteine“, Schülerinnen und Schülern der Klasse 6d der Sekundarschule der Stadt Olsberg sowie von Kindern und Jugendlichen der Schule an der Ruhraue.
Die Schüler stellten selbst ihre Arbeiten in der Ausstellung vor. Foto: bigge-online
Sie zeigt Bilder und Lebensdaten von Deutschen jüdischen Glaubens, die früher im heutigen Stadtgebiet Olsberg gelebt haben. Bigge, Olsberg und Assinghausen sind einige Geburtsorte. Als Ort, an dem das Leben endete, sind mitunter „Auschwitz“ oder „Theresienstadt“ zu lesen. Die Gesichter dieser Menschen werden so zur Mahnung, dass Geschichte immer konkrete Auswirkungen hat; aber auch, dass die heutige Generation in der Verpflichtung und Verantwortung steht, das zu gestalten, was später einmal Geschichte werden wird. Seine Geschichte erzählte den Menschen im Olsberger Ratssaal auch Fred Stern; wie er den Ort, der für seine Familie und Vorfahren über hunderte von Jahren Zuhause war, verlassen musste, und vom schwierigen Neuanfang in den Vereinigten Staaten, wo er als Kind Zeitungen verkaufte, um zum Familienunterhalt beizutragen.
Fred Stern trägt sich im Beisein seiner Ehefrau Sheila und von Bürgermeister Wolfgang Fischer ins Goldene Buch ein. Foto: Stadt Olsberg
Von der Ausstellung und dem herzlichen Empfang zeigte der 87-Jährige sich beeindruckt: „So etwas habe ich nicht erwartet.“ Bürgermeister Wolfgang Fischer lud den Gast ein, sich ins Goldene Buch der Stadt Olsberg einzutragen: „Weil das Leben unserer damaligen jüdischen Mitbürger ein untrennbarer Bestandteil der Olsberger Stadtgeschichte ist, haben wir – die heutige und die nachfolgende Generation – die Verpflichtung und die Aufgabe, die Erinnerung lebendig zu halten.“ Dazu mahnte auch Uta Weigand für den Arbeitskreis „Stolper-steine“ – man sehe die „Verantwortung, dass hinter jedem Namen ein Gesicht und hinter jedem Gesicht eine Geschichte steht.“

Zu den jüdischen Familien wurden Informationstafeln zusammengestellt. Foto: bigge-onlineFred Stern ließ es sich gemeinsam mit Ehefrau Sheila, seinen Kindern und Enkeln nicht nehmen, die Ausstellung persönlich in Augenschein zu nehmen. Vorgestellt wurde sie von „Schüler-Guides“ der beteiligten Schulen – eine Tatsache, die besonders Sheila Stern sichtlich rührte. 27 Jahre lang habe sie selbst als Lehrerin mit jungen Menschen gearbeitet – für sie sei die Ausstellung deshalb besonders bewegender Moment, sagte sie gegenüber den Schülerinnen und Schülern: „Das, was ihr hier geschaffen habt, kann euer Leben und eure Persönlichkeit begleiten.“

Die Ausstellung „Jüdisches Leben im früheren Amt Bigge“ ist bis zum 30. August zu den üblichen Öffnungszeiten im Olsberger Rathaus zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Passend zu diesem Thema findet ihr hier noch ein Bild der jüdischen Schule aus der damaligen Zeit sowie einen Zeitungsartikel aus der Westfalenpost zu den oben erwähnten Gedenktafeln vom 9. November 1995:

Zeitungsartikel und Fotos von Heinz Lettermann aus der Westfalenpost vom 9. November 1995