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Rund 30 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger diskutierten am Freitagabend im ersten Dialogforum zur B7n in der Schützenhalle in Altenbüren. Foto: Sonja Funke„Die B7n und ihre Varianten sind ein hochemotionales Thema“, fasste einer der rund 30 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürger am Freitagabend seine Eindrücke vom ersten Dialogforum zur B7n in der Schützenhalle in Altenbüren zusammen. Aus rund 230 zufällig generierten Adressen aus Brilon, Scharfenberg, Altenbüren, Nuttlar und Antfeld entstand die gemischte Bürgergruppe, die in vier Veranstaltungen ein gemeinsames Bürgervotum erarbeiten wird. Ihr Fazit nach dem 1. Abend: Die Variante 1 ist zwar die bei den Menschen beliebteste, aber aus arten- und naturschutzfachlichen Gründen juristisch nach jetzigem Kenntnisstand nicht umsetzbar.

Dennoch sollen - angeregt durch neue Informationen und Nachfragen aus der Bürgerschaft - bis zum nächsten Treffen noch einige Punkte geklärt werden. Bis in den späten Abend hinein wurde in der Auftaktveranstaltung zum Thema Arten- und Naturschutz debattiert. Lars Voigtländer, Abteilungsleiter Planung Straßen.NRW, redete gleich zu Beginn der Veranstaltung Klartext: Ziel von Straßen.NRW sei die Baurechtserlangung und die Umsetzung der B7n. Da die von Straßen.NRW, der Politik und den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort bisher präferierte Variante 1 ein nicht lösbares Problem im Bereich Artenschutz habe, wolle Straßen.NRW gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern eine neue, bestmögliche Trassenvariante finden.

Raubwürger brütet im Bereich der Variante 1

Der Variantenplan von Straßen.NRWDiese Erkenntnis zu den Problemen der Variante 1 sei nicht neu, wurde aber durch aktuelle Kartierungen, die bis Ende Juli durchgeführt wurden, noch einmal aktuell untermauert, da es vor Ort viele Zweifel an den bisherigen Ergebnissen gäbe. Benjamin Hamann vom Büro weluga Umweltplanung, ein ausgewiesener Vogelschutzexperte, bestätigte erneut die Brutreviere des besonders streng geschützten Raubwürgers. Sechs Paare haben im untersuchten Korridor ihre Kernreviere. Drei davon liegen direkt im Trassenverlauf der Variante 1. Der Vogel steht auf der roten Liste und ist durch das EU-Artenschutzrecht in besonderer Weise geschützt. Hinzu kommen Vorkommen des Neuntöters, der Feldlerchen sowie 11 zweifelsfrei nachgewiesene Exemplare der Wildkatze am Waldrand.

Für die Variante 1 und die Variante 3, die ebenfalls ein Kernrevier des Raubwürgers kreuzt, bedeutet dies faktisch das Aus, betonte Andreas Kuhlmann, der von Straßen.NRW beauftragte Umweltgutachter. Auch die beiden örtlichen Naturschützer Johannes Schröder vom VNV (Verein für Natur- und Vogelschutz im Hochsauerlandkreis) und Winfried Rampe vom VUNH (Verein für Umwelt- und Naturschutz im Hochsauerland), die stellvertretend für die Umweltorganisationen teilnahmen, bestätigten die Befunde der Gutachter und lobten ausdrücklich deren fachliche Leistung.

Variante 1 "juristisch nicht durchsetzbar"

Die Bürgergruppe fragte intensiv nach, ob es nicht rechtliche Spielräume für die Realisierung der Variante 1 geben könne. Hier war Dr. Marcus Lau, Rechtsexperte aus Leipzig, den Straßen.NRW extra für die juristische Prüfung der Realisierung der Variante 1 beauftragt hatte, mehr als eindeutig: „Die Variante 1 ist juristisch nicht durchsetzbar“, so der Leipziger Jurist, der als Artenschutzexperte häufig am Bundesverwaltungsgericht tätig ist. In der nachfolgenden Diskussion hakten die Bürger immer wieder zum Thema Raubwürger und Artenschutz nach. Ihr Fazit fiel differenziert aber bestimmt aus: Die Bürgergruppe bewertete die Fachvorträge als aufschlussreich und sie fand es wichtig, den Experten direkt folgen zu können, auch wenn sich einige noch mehr Vertiefung wünschten. Alle Vorträge werden jetzt als Filme aufgenommen, teilweise um Bürgerfragen ergänzt und ins Netz gestellt.

Nachdem sie die Einschätzung der Experten und des Fachjuristen gehört hatte, wurde von der Mehrheit der Gruppe die Einschätzung geteilt, dass es keine Möglichkeit gibt, die Variante 1 durchzusetzen. Es sei deutlich geworden, dass sich die Begründung der Gutachter nicht nur auf den Raubwürger stütz, sondern insgesamt vier streng oder besonders streng geschützte Arten die bei der Variante 1 betroffen seien. „Der Gesamtbefund legt nahe, dass die Variante 1 keine Variante mehr ist“, zog einer der Bürger Bilanz.

Vertiefungen oder weitere Forschungen, ob eine Umsiedlung des Raubwürgers nicht doch noch möglich wäre, wurden von einigen vorgeschlagen, würden das Projekt aber weiter verzögern. Ein Erfolg ist offen. Eine wichtige Erkenntnis war aus Sicht einer Bürgerin auch, dass das Habitat - also der Lebensraum der seltenen Tiere - an sich schützenswert sei, selbst wenn eine Art temporär nicht vorhanden sei. Mögliche Vertreibungsversuche der vom Aussterben bedrohten Tiere stünden also nicht nur unter hohen Strafen, sondern wären außerdem zwecklos, weil die Eignung des Raums als Fortpflanzungs- und Ruhestätte unter anderem des Raubwürgers erhalten und demnach auch gesetzlich geschützt bliebe.

Nächste Dialogforum mit Landwirtschaft

Für das nächste Dialogforum soll auf Wunsch der Bürgergruppe eine Stellungnahme des LANUV (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in NRW) eingeholt werden zur Frage, ob eine Umsiedlung des Raubwürgers oder Ausgleichsmaßnahmen in der Medebacher Bucht denkbar wären. Dies wäre dann juristisch zu bewerten. Falls auch diese Prüfung aber letztlich ergebe, dass die Variante 1 nicht möglich sei, drängten die Bürger auf eine schnelle konstruktive Suche nach anderen Lösungen. Denn dass eine Verbindung zwischen Nuttlar und Brilon zur Entlastung der Ortsdurchfahrten dringend benötigt wird, darin waren sich alle Anwesenden einig.

Nachdem man sich in diesem 1. Dialogforum intensiv mit der Variante 1 auseinandergesetzt hat, will sich die Bürgergruppe in den nächsten Dialogforen aktiv an der Suche nach einem „Plan B“ beteiligen. Sie fordert eine frühe Einbeziehung der möglichen Betroffenen der alternativen Streckenverläufe. Genau dies wird der begonnene Dialogprozess ermöglichen. Der nächste Schritt wird die Einbeziehung der Landwirtschaft sein, die zunächst in einer zusätzlichen Veranstaltung eingebunden werden. Aber auch das zweite Dialogforum mit den Zufallsbürgern, wird sich mit den Anliegen und Betroffenheiten der Landwirtschaft auseinandersetzen. Die dritte Veranstaltung wird dann die verkehrlichen Fragen, die Nutzer- und Anliegerinteressen wie z.B. den Lärmschutz aufgreifen.

Weitere Informationen findet ihr unter www.b7n.nrw.de. Auf der Projekthomepage werden auch die Präsentation und das Protokoll der ersten Sitzung des Dialogforums eingestellt.

Nächste Termine im Beteiligungsprozess B7n:

28.08.2020 Landwirtschaftsforum
04.09.2020 Dialogforum Zufallsbürger zur „Landwirtschaft“
22.09.2020 Dialogforum Zufallsbürger zu „Mensch & Nutzer“
07.10.2020 Dialogforum Zufallsbürger „Abschlussveranstaltung“